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Marktgefühle

Stefan Leins, Institut fur Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft, Mercator Awards Preisträger 2017

Warum gibt es Finanzanalystinnen und Finanzanalysten? Auf diese Frage hatte die Wirtschaftswissenschaft bislang nur unbefriedigende Antworten, denn empirische Studien haben wiederholt gezeigt: das Marktgeschehen ist nicht prognostizierbar. In der Tat scheitern Analystinnen und Analysten oft daran, die Zukunft der Märkte treffsicher zu beschreiben. Dennoch haben sie sich in den letzten Jahrzehnten als wichtige Akteure etabliert.

Stefan Leins, Ethnologe am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK), hat sich für zwei Jahre unter Finanzanalystinnen und Finanzanalysten begeben und versucht, ihre Prognosen als kulturelle Praxis zu begreifen. In seiner Dissertation zeigt er, wie sich Analystinnen und Analysten als Experten positionieren, indem sie komplexe und oft widersprüchliche Sachverhalte zu Marktsignalen reduzieren und anschliessend in schlüssige Narrative verpacken. Diese Narrative werden dazu benutzt, das Marktgeschehen gegenüber Investoren als erklärbar und prognostizierbar darzustellen. Der Erfolg von Finanzanalystinnen und Finanzanalysten basiert demnach nicht auf ihrer Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen, sondern darauf, ihr Umfeld mit plausibel klingenden Geschichten zu gewinnen, wie Leins zeigt.